Fluchen befreit Ihre Seele: Auswirkungen & körperliche Reaktionen

Fluchen, Schreien, Streiten
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Liebe Leser,

ich weiß nicht, ob Sie (noch) Fußball spielen oder Fußballfreund sind. Ich kenne auf jeden Fall keine Sportart, in der mehr geflucht wird als beim Kicken. So ist es ja immer noch nicht geklärt, was Zidane und Materazzi bei der Weltmeisterschaft wirklich an Nettigkeiten ausgetauscht haben.

Es wird wahrscheinlich nicht so harmlos gewesen sein wie Dumpfbacke, Mistkerl oder Idiot. Stefan Effenberg ist ebenfalls wie etliche andere Fußballer berühmt für seine verbalen Attacken auf dem Feld.

Fluchen und Schimpfen sind öffentlich verpönt, dennoch sind sie offenbar ein elementares Bedürfnis. Mal ehrlich: Wie oft ist Ihnen selbst ein „So ein blöder Mistkerl!“ oder „So eine dumme Sau!“ entfahren – bevorzugt beim Autofahren? Nach Untersuchungen des amerikanischen Sprachforschers Timothy Jay verbringen wir 5 % unserer Arbeitszeit und 10 % unserer Freizeit mit Motzen und Meckern.

Fluchen und Meckern ist genauso wichtig für Ihre Gesundheit wie Weinen und Lachen, sagen Psychologen. Wenn Sie sich ärgern, stehen Sie wie ein Dampfkessel unter Überdruck, und der muss abgebaut werden, sonst werden Sie krank. Der Physiologe Peter Reeh von der Universität Erlangen bezeichnet Schimpfen deshalb auch als „Stuhlgang der Seele“.

Der Knackpunkt liegt in unserem Gehirn, beim Hypothalamus, wo Stress-Situationen verarbeitet werden. Es ist die älteste und konservativste Abteilung dort oben. Sie hat nämlich gewissermaßen in den vergangenen Jahrtausenden nichts hinzugelernt und wertet beispielsweise eine harmlose Beleidigung noch immer als Angriff auf Leib und Leben. In Bruchteilen von Sekunden werden dann ganze Kaskaden von Stresshormonen freigesetzt, die Ihren Körper überschwemmen.

Der Herzschlag erhöht sich, der Blutdruck steigt, die Muskeln gehen auf Gefechtsstation, der Atem fliegt, die Pupillen erweitern sich. Die zuständige Gehirnabteilung befiehlt: Dem Beleidiger eins aufs Maul hauen oder – wenn er zu stark ist – schleunigst abhauen. Da wir nun aber keine Neandertaler mehr sind und nicht jeden, der uns beleidigt, erschlagen können, bauen wir den Stress über das Motzen ab.

Schimpfen muss deftig klingen

Wenn die Motzerei richtig sitzen soll, müssen Fäkalworte dabei sein, sagen die Psychologen. Außerdem empfehlen sich allerlei Zisch- und Verschlusslaute sowie möglichst viele helle E- und I-Vokale. Das anrüchige Wort „Scheiße“ ist also das perfekte Schimpfwort und die Mutter aller deutschen Beleidigungen. Da sind sich Volksmund und Wissenschaft ausnahmsweise einmal völlig einig.

Geflucht wird übrigens weltweit und zwar gleich heftig. Das erforschen die Maldiktologen (Maldiktologie ist die Wissenschaft vom Fluchen): Werfen sich die Italiener ein „Madonna troia“ (du Sau von einer Jungfrau), so ist es in Persien ein deftiges „Ich furze in den Bart deines Vaters“ und auf arabisch ein „Deine Muttermilch war Kamelpisse“.

Hauptsache, der andere wird herabgesetzt. Deutsche Flüche sind wesentlich zahmer und zeigen eine Vorliebe für Schmutz – weil wir ein so sauberes Volk sind: Dreckspatz, Dreckskerl, Drecksau haben einen hohen Stellenwert, jedenfalls unter den gemäßigten Fluchern. Am kreativsten fluchen die Bayern. Bei ihnen machten die Wissenschaftler 2.500 gängige Beleidigungen aus.

Also denn: Die Wut muss raus, fluchen, meckern oder motzen Sie gelegentlich – egal ob beim Sport oder beim Autofahren, das sind Sie Ihrer Gesundheit schuldig. Andere müssen es ja nicht unbedingt mitkriegen.