Interstitielle Zystitis: Das ungute Chamäleon

Interstitielle Zystitis: Das ungute Chamäleon
Interstitielle Zystitis - Adobe Stock
Inhaltsverzeichnis

Erkrankungen der Blase, insbesondere eine Entzündung sind eine unangenehme Sache. Werden die Probleme chronisch und führend andauernd zu Problemen wird die Sache schnell sehr qual- und leidvoll. Die Interstitielle Zystitis (Interstitielle Cystitis, IC) ist eines dieser Probleme. Das Schlimme ist dazu noch, dass die Krankheit und ihre Ursachen noch sehr schlecht verstanden sind. Entsprechend schwierig ist es die Diagnose zu stellen und die richtige Behandlung zu finden. 

Wie wird die Interstitielle Zystitis geheilt fragen Sie sich nun? Die Frage ist schwer zu beantworten. Den meisten Patienten kann sehr gut geholfen werden. Doch komplette Heilung ist in vielen Fällen nicht erreichbar.

Was versteht man unter der Krankheit interstitielle Zystitis?

Die Interstitielle Zystitis ist eine chronische, also dauerhafte und nicht infektiöse Harnblasenerkrankung. Sie wird begleitet von starken Schmerzen oberhalb der Blase oder auch im gesamten Unterleib. Es kommt zu häufigem Wasserlassen am Tag und auch in der Nacht. Auch kann es zu Harndrang kommen, der schwer kontrolliert werden kann, bis hin zu Inkontinenz.

Als Ursache wird eine Beschädigung und/oder eine Entzündung der Zellen der Blasenwand vermutet. Mit zunehmender Schädigung der Blasenwand im Verlauf der Krankheit wird diese immer dünner und reizbarer. Damit lässt sich die fortschreitende Verschlimmerung der Krankheitssymptome im Laufe der Zeit erklären. Was folgt, ist eine Krankheit die weitaus mehr Beschwerden verursacht als eine reine Blasenentzündung

Die Krankheit betrifft zu 90 % überwiegend Frauen. Die interstitielle Zystitis ist also ein wichtiges Thema im Bereich Frauengesundheit

Was ist das große Problem bei der interstitiellen Zystitis?

Das große Problem bei der interstitiellen Zystitis ist, das die Ursache unbekannt ist. Außerdem ist die Krankheit sehr schwer zu diagnostizieren. Selbst entsprechende Fachärzte wie Gynäkologen oder Urologen finden nicht immer auf Anhieb die richtige Ursache. Die richtige Diagnose wird oft erst nach vielen Jahren Leidenszeit gestellt.

Und selbst mit einer gesicherten Diagnose ist oft noch keine Abhilfe möglich. Denn auch die Behandlungsmöglichkeiten sind nicht sehr groß und nicht jedem verschaffen sie Linderung. 

Auf welche Symptome muss ich bei der interstitiellen Zystitis achten?

Die typischen Symptome der interstitiellen Zystitis betreffen hauptsächlich den Unterleib und insbesondere den Blasenbereich. Folgende Symptome treten typischerweise bei einer interstitiellen Zystitis auf:

  • Starker bis extremer Harndrang: Bis zu 60 Toilettengänge, sowohl tags als auch nachts
  • Abgeschwächter Harnstrahl, Schwierigkeiten bei der Blasenentleerung und/oder Schwierigkeiten, mit dem Wasserlassen zu beginnen
  • Starke Schmerzen sowie Brennen während des Wasserlassens
  • Schmerzen in der Blase, der Harnröhre sowie im Bereich des Beckens und der Beckenbodenmuskulatur
  • Schmerzen in der Scheide, im Enddarm und im Dammbereich sowie im gesamten Unterleib
  • Schmerzen beim oder nach dem Geschlechtsverkehr

Die auftretenden Schmerzen können je nach Person sehr unterschiedliche Ausprägungen haben. Schmerz ist bei den meisten Patienten ein ständiges Symptom. Allerdings ist es unterschiedlich, wie stark der Schmerz ist. Manche haben nur mittelstarke, erträgliche Schmerzen. Andere Patienten leiden enorm unter sehr starken Schmerzen. Manche leiden eher nur unter Blasenschmerzen, andere haben starke Beschwerden im gesamten Unterleib. 

Welche Symptome können begleitend bei einer interstitiellen Zystitis auftreten?

Neben den oben genannten Symptomen wird die interstitielle Zystitis oft von weiteren Symptomen begleitet. Diese stehen oft nicht in direktem Zusammenhang mit den erkrankten Organen. Folgende Begleiterkrankungen treten gehäuft bei einer interstitiellen Zystitis auf:

  • Reizmagen-/Reizdarmsyndrom
  • Erschöpfungssymptome allgemeiner Art
  • Neurologische und mentale Erkrankungen
  • Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
  • Fibromyalgie

Wenn eine oder mehrere dieser Krankheiten vorliegen, sollten diese gleichzeitig mit der interstitiellen Zystitis behandelt werden.

Wie erkennt der Arzt, ob eine interstitielle Zystitis vorliegt?

Vermutet der Arzt aufgrund der geschilderten Symptome eine IC wird er zur genaueren Untersuchung zunächst eine Harnblasenspiegelung (Zystoskopie) durchführen. Währenddessen kann er auch eine Blasendehnung (Distension) vornehmen. 

Hierbei wird zunächst eine Spiegelung der Blase mithilfe einer winzig kleinen Kamera vorgenommen. In vielen Fällen ist diese Spiegelung unauffällig. Wird die Blase dann aber leicht über den maximalen Druck beim normalen Wasserlassen gedehnt geschieht etwas Bemerkenswertes. Liegt eine Interstitielle Zystitis vor, so bilden sich im Anschluss entlang der Blase stecknadelkopfgroße, punktförmige Blutungen (Glomerulationen). Diese Einblutungen bei der Blasendehnung gelten als charakteristisches Merkmal der interstitiellen Zystitis. 

Daneben werden unter Umständen Gewebeproben entnommen, die weitere Aufschlüsse auf eine vorliegende Krankheit geben können.

Wie kann man die interstitielle Zystitis behandeln?

Dem Arzt stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen:

  • Konservativer Therapie
  • Orale medikamentöse Therapie
  • Harnblasenspülungen (Instillationen)
  • Spezielle Verfahren (EMDA)
  • Schmerztherapie
  • Operationen
  • Stationäre Rehabilitation (Reha)

Konservative Therapie bei interstitieller Zystitis: Die Maßnahmen

Grundlegend bei der Behandlung der interstitiellen Zystitis ist die Aufklärung des Patienten über die Krankheit. Ihr Arzt wird Ihnen die wichtigsten Dinge über die Krankheit und die Behandlungsmöglichkeiten erklären. Er wird mit Ihnen über folgende konservativen Maßnahmen sprechen, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen:

  • Ernährung bei interstitieller Zystitis
  • Einfluss des Lebensstiles auf die Krankheit
  • Physiotherapeutische Maßnahmen

Was muss ich bei interstitieller Zystitis und Ernährung beachten?

Es gibt Hinweise, dass bestimmte Lebensmittel einen Einfluss auf die Entstehung und Verschlimmerung einer interstitiellen Zystitis haben können. Besonders kaliumreiche und scharfe Speisen stehen im Fokus. Sollten Sie den Verdacht haben an interstitielle Zystitis erkrankt zu sein, sollten Sie beifolgenden Lebensmitteln besonders vorsichtig sein:

  • Zitrusfrüchte
  • Schokolade
  • Koffeinhaltige Nahrungsmittel und Getränke
  • Kohlensäurehaltige Getränke
  • Tomaten
  • Scharfe Lebensmittel
  • Künstliche Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe 

Außerdem stehen Alkohol und Tabak im Verdacht die Krankheit mitzuverursachen und zu verschlimmern.

Wie kann mein Lebensstil Einfluss auf die interstitielle Zystitis nehmen?

Gesund leben ist nicht einfach nur eine Plattitüde. Ein gesunder und ausgewogener Lebensstil kann in vielen Aspekten und bei vielen Krankheiten weiterhelfen. Aspekte, die die Blasenschmerzen bei einigen Patienten beeinflussen können, können zum Beispiel zu enge Kleidung und zu hohe Schuhe sein. Manche Sexualpraktiken oder Sportübungen können ebenfalls eine Verschlimmerung der Symptome verursachen. Auch zu viel Stress scheint ein Kofaktor zu sein. Hören Sie auf Ihren Körper und fühlen Sie in sich hinein. So finden Sie heraus was Ihnen guttut und was nicht.

Wie hilft Physiotherapie bei interstitieller Zystitis?

Es gibt Vermutungen, dass ein überaktiver Beckenboden zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen kann. Bei Vorliegen einer entsprechenden Beckenboden-Dysfunktion kann die Hilfe eines spezialisierten Beckenboden-Physiotherapeuten hilfreich sein und zu einer Linderung der Krankheitsbeschwerden führen.

Folgende Verfahren haben sich bei einigen Patienten als hilfreich erwiesen:

  • Kontraktions-Relaxations Technik (Mit und ohne Biofeedback)
  • Myofaszialtechniken
  • Thielemassagen
  • Beckenbodendehnung
  • Vibrationstherapie
  • Bindegewebs- und Fußreflexzonenmassage

Welche Medikamente können zum Einsatz kommen?

Das wichtigste Medikament bei der Behandlung der interstitiellen Zystitis ist Natrium-Pentosanpolysulfat (PPS). Dieser Wirkstoff soll die Wand der Harnblase wieder abdichten. Die Wand der Harnblase besteht aus Glycosaminglycan und hier wirkt das PPS. Dadurch können reizende und toxische Substanzen aus dem Urin nicht mehr auf die Zellen der Harnblase einwirken. Das lindert die Entzündungsymptome der interstitiellen Zystitis. Zusätzlich soll PPS die Durchblutung der Harnblase verbessern.

Der Wirkstoff in Deutschland erstattungsfähig und seit Oktober 2017 kann er zulasten der Krankenkassen rezeptpflichtig verordnet werden.

Welche anderen Medikamente werden verordnet?

Gegen die allgemeinen Beschwerden wie Schmerzen und Verspannungen werden gängige Schmerz-, Beruhigungs- und krampflösende Mittel angewendet. Bei stärkeren Schmerzen können auch Morphinderivate und Lokalanästhetika (Direkt in der Blase oder Nerven) verabreicht werden. Lokalanästhetika werden direkt in der Blase oder in umliegende Nerven verabreicht.

Weitere Medikamente, die zum Einsatz kommen sind Antidepressiva wie Amitriptylin und Mirtazapin. Diese wirken bei der interstitiellen Zystitis schmerzlindernd und werden auch dafür verordnet.

Vielen Patienten helfen auch Antihistaminika. Diese Wirkstoffe helfen insbesondere dabei den Einfluss von Nahrungsmittel Unverträglichkeiten auf die Blasenschmerzen zu dämpfen. 

Welche weiteren Maßnahmen kann ein Arzt ergreifen?

Viele Patienten empfinden eine Harnblasenspülung (Instillation) als sehr hilfreich. Dabei wird die Harnblase mit körpereigenen Stoffen wie Hyaluronan, Chondroitinsulfat (Beide Substanzen manchmal auch in Kombination) oder Heparin gespült. Dadurch werden kleinste Schäden in der Wand der Harnblase ausgeglichen. Dadurch nehmen die Beschwerden der interstitiellen Zystitis etwas ab.

Mithilfe von EMDA (Electromotive Drug Administration) werden über elektrische Felder Medikamente in der Blase verteilt. Die Medikamente werden per Blasenspülung verabreicht. Im Anschluss wird mithilfe der elektrischen Felder erreicht, dass die Wirkstoffe tief in die Schichten der Harnblase einwirken.

Womöglich kann auch eine stationäre Rehabilitation (Reha) helfen. Hier werden in speziellen urologischen Rehakliniken Zugang verschiedene Maßnahmen gebündelt und angewendet. Im Falle einer drohenden Arbeitsunfähigkeit übernimmt die Rentenkasse die Kosten.

Wann muss eine interstitielle Zystitis operiert werden?

Eine Operation der Harnblase ist das letzte Mittel, wenn alle anderen Maßnahmen nicht helfen. Hier kann entweder die Harnblase gedehnt oder teilweise oder ganz entfernt werden. Eine Entfernung der Harnblase bringt in den meisten Fällen eine absolute Besserung der Beschwerden mit sich. Allerdings gibt es unter Umständen Folge Probleme die beachtetet werden müssen. So muss der Harn zukünftig über andere Wege abgeleitet werden, entweder über einen Katheter oder eine Ersatzblase. Eine umfassende Aufklärung durch den Arzt ist notwendig.

Ich habe interstitielle Zystitis, was kann mir sonst noch helfen?

Neben den bisher genannten medikamentösen und medizinischen Behandlungen gibt es weitere Ansätze, um die interstitielle Zystitis zu behandeln. Folgende Verfahren oder Techniken werden von Ärzten empfohlen:

  • Änderung der Ernährung und des Lebensstiles
  • Verringerung von Stress
  • Entspannung und Meditation (Yoga, Qi Gong oder ähnliches)
  • Gezieltes Training der Harnblase und des Beckenbodens
  • Selbsthilfegruppen: Kontakte zu anderen Patienten und Erfahrungsaustausch
  • Krankheitstagebuch um den Verlauf der Krankheit zu dokumentieren

Nicht jede Maßnahme wird bei jedem Patienten helfen. Es lohnt sich allerdings diese auszuprobieren und gegebenenfalls bringt eine Kombination aus mehreren Maßnahmen eine Linderung.

Welche komplementärmedizinischen Therapien können hilfreich sein?

Neben den schulmedizinischen Verfahren können auch zusätzlich naturheilkundlichen und komplementäre Maßnahmen hilfreich sein. Zur begleitenden Behandlung der interstitiellen Zystitis werden folgende Therapien empfohlen:

  • Akkupunktur
  • Mikrobiologische Therapien
  • Neuraltherapie
  • Orthomolekulare Therapie
  • Phytotherapie (Kürbissamen)
  • Homöopathie
  • Osteopathie
  • Fangopackungen und Massagen
  • Biofeedback
  • Traditionelle chinesische Medizin (TCM)
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)