Knochenbrüche: Schmerzen, Behandlung und Heilung

Frau mit gebrochenem Arm und Pflegerin
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Inhaltsverzeichnis

Knochenbrüche treten in jedem Lebensalter auf. Sie können jeden unserer über 200 Knochen betreffen, also so gut wie jedes Körperteil. Die menschlichen Knochen sind zwar hart wie Granit, aber nicht unzerbrechlich. Vor allem kleine oder dünne Knochen wie Speiche, Rippe und Schlüsselbein brechen schnell. Hand- und Fußknochen brechen unter Umständen sogar bei Haushaltstätigkeiten.

Welche Knochenbrüche gibt es?

Komplizierte Frakturen (Bruch, von lateinisch frangere = brechen)  kommen bei vielen Verkehrsunfällen vor. Man unterscheidet zwischen folgenden Bruchtypen:

  • einfache Fraktur mit nur einem Frakturstück (meist weist der Knochen einen Spalt auf)
  • Stückfraktur mit maximal drei Bruchstücken
  • Trümmerfraktur

Was sind die häufigsten Ursachen von Knochenbrüchen?

Frakturen haben unterschiedliche Ursachen, die gängigsten sind:

  • Sportverletzungen (gehören zu den häufigsten Behandlungsfällen)
  • Unfälle
  • Ermüdungsbrüche (meist im höheren Alter; beispielsweise durch Osteoporose)
  • Grünholz-Fraktur (kommt nur im Kindesalter vor): der Knochen bricht oder verbiegt sich, ohne die Knochenhaut zu beschädigen, weil er noch weich ist

Wann ist bei Knochenbrüchen eine Operation erforderlich?

Ist äußerlich nichts zu sehen, röntgt der Arzt die Körperteile, bei denen er Knochenbrüche vermutet. Schwellungen und Hämatome (Blutergüsse) erschweren das Erkennen der Brüche. Insofern gehört zur Heilung auch die Beurteilung der Folgeerkrankungen.

Nicht-operative Behandlung

Nicht bei allen Brüchen wird auch operiert: In der Regel heilen Knochenbrüche problemlos aus. Kleine Knochen, wie etwa die Handknochen, sind schon nach sechs Wochen wieder voll belastbar, größere wie der Oberschenkelknochen brauchen bis zu zwölf Wochen. Bei einem unkomplizierten Bruch kann die Schulmedizin nicht mehr tun, als eine Ruhigstellung der  verletzten Knochen- oder Gelenkteile zu veranlassen. Die eigentliche Reparatur muss der Körper selbst erledigen.

Dazu wird der Knochen vom Arzt in Position gebracht, damit er wieder zusammenwachsen kann. Hierbei genügt meist ein fester Verband, um den Knochen an Ort und Stelle zu halten, die Verbandsmaterialien variieren. Heutige Verbände bestehen eher aus Kunstfasern (Glaswolle) als aus Gips, weil letzteres schwerer und weniger stabil ist. Dennoch sind Gipsverbände angebracht, wenn ein enger anliegender Sitz angestrebt wird.

Operative Behandlung

Knochenbrüche, die Gelenke betreffen (z. B. ein Hüftgelenksbruch), erfordern allerdings für gewöhnlich eine Operation. Einige Hüftgelenksfrakturen fallen so kompliziert aus, dass sie einen partiellen oder vollständigen Gelenkersatz rechtfertigen.

Fixateur interne

Auch wenn die Knochenenden sich nicht einfach ausrichten lassen, kann ein operativer Eingriff notwendig werden, um die Bruchstücke richtig zu positionieren und den Bruch zu stabilisieren. Wenn dieser nahe bei oder in einem Gelenk liegt, brauchen Sie wahrscheinlich eine Operation (Fixateur interne). Bei entsprechenden Operationen, die der Arzt eventuell unter Vollnarkose durchführt, kann er Drähte, Stäbe, Platten, Nägel oder Schrauben in und entlang des Bruchs anbringen, um den Knochen zu richten und zu halten.

Sind derartige Hilfsmittel verarbeitet, benötigte der Patient früher stets eine zweite OP, um das Metall nach Abschluss der Knochenheilung wieder entfernt zu bekommen. Heute werden inzwischen oft bioresorbierbare Materialien verwendet; in solchen Fällen ist dies dann nicht mehr nötig. Allerdings muss der Chirurg nicht nur den Knochen richten, sondern auch die Blutgefäße und das Gewebe korrigieren. Solche OPs betreffen meist auch das Umfeld; eventuell ist sogar ein Gelenk betroffen. Mit selbstauflösenden Schrauben und Pins aus Milchsäure können Unfallchirurgen Gelenkverletzungen dann behandeln.

Fixateur externe

Bestimmte Knochenbrüche verheilen dagegen am besten mit der Fixateur externe, einem von außen zugänglichen Festhalte- und Spannsystem. Einige Brüche des Handgelenks heilen besser, indem man Metallstifte durch die Haut führt und im Knochen implantiert. Diese Stifte befestigt man außen an einem Metallrahmen, der die Knochenenden an der richtigen Stelle fixiert. Diesen Rahmen tragen die Patienten gewöhnlich sechs bis zwölf Wochen lang, während der Bruch verheilt.

Ganz gleich, welche Behandlungsmethode nun im Vorfeld angewandt worden ist; anschließend nutzt man von der Massage bis hin zur Bewegungstherapie viele Möglichkeiten zur neuen Beweglichkeit.

Operation vs. Gipsverband: Was ist besser?

Noch bis vor wenigen Jahren wurden Knochenbrüche fast ausschließlich „konservativ“, also mit einem Gipsverband, behandelt. Neben der Einschränkung der Beweglichkeit hat dies aber weitere Nachteile. Gipsverbände führen leicht zu:

  • Gelenksteife
  • Thrombosen
  • Achsenfehlern (z. B. X- oder O-Beine)
  • schlechter Heilung der Bruchstelle
  • Beinverkürzungen

Heute werden deshalb schon 60 % der Brüche operiert. Dabei wird die Bruchstelle mit einem geeigneten Implantat stabilisiert. Ein wichtiger Vorteil ist die deutlich kürzere Genesungsdauer. So heilt ein Handwurzelbruch im Schnitt etwa fünf Wochen schneller als nach einer Gipsbehandlung. Die Liegezeiten im Krankenhaus und der Arbeitsausfall verringern sich – und somit ist eine Operation auch Wirtschaftlich dem Gipsverband „überlegen“.

Das sind die Vorteile einer Operation bei Knochenbrüchen

  • ungestörter Verlauf der Knochenheilung,
  • bessere Heilungschancen
  • Gelenke und Muskeln bleiben beweglich
  • Muskeln können schneller wieder trainiert werden;
  • kein Muskelschwund

Diese Vorteile überwiegen die möglichen Nachteile, die bei Operationen generell bestehen (z. B. Infektionsgefahr und das Narkoserisiko) bei weitem.

Neue Hoffnung auch bei Osteoporose

Auch wenn Sie an Osteoporose erkrankt sein sollten, können Ihnen die modernen Knochenimplantate helfen. Die konservative Gipsbehandlung ist hier oft nachteilig, da sich die Knochenheilung im Alter verlangsamt und die Brüche eine längere Ruhigstellung erfordern. Muskelschwund und Unbeweglichkeit sind die Folge. Die neuartigen Knochenimplantate finden jedoch sogar bei schlechter Knochenqualität festen Halt und bieten somit auch bei Osteoporose verbesserte Heilungschancen.

Der Einsatz von Computersystemen im Operationssaal ermöglicht es dem Arzt heute, die Position von Knochen und Implantaten präzise zu bestimmen, ohne dass er dazu die Bruchstelle großflächig freilegen muss. Vor allem in größeren chirurgischen Zentren können Sie sich mit diesen modernen Verfahren behandeln lassen.

Die neue minimal-invasive Operationstechnik ist viel weniger belastend. Das Infektionsrisiko wird drastisch gesenkt und die Wunde heilt schneller, sodass Sie das Krankenhaus früher verlassen können. Es bleibt nur eine kleine Narbe zurück.

Wie ist der Heilungsprozess bei Knochenbrüchen?

Ist das Umfeld verletzt, muss man auch hier auf den Heilungsprozess achten. Schneller geht es in den meisten Fällen mit Platten und Schrauben sowie einem flexiblen Stützkorsett. Darüber hinaus hängt die Heilung von der körperlichen Verfassung und Mithilfe des Patienten ab. Offene Brüche mit sichtbarer Hautverletzung erfordern intensivere Maßnahmen als geschlossene Frakturen. Wenn Ihr Arzt eine Beeinträchtigung des Heilungsprozesses vermutet oder der Knochen nicht richtig zusammenwächst, können Sie Folgendes versuchen:

  • Ultraschall – Niederenergetischer gepulster Ultraschall gelangt über einen Umwandler durch die Haut und bestrahlt die Bruchstelle etwa 20 Minuten lang. Das Gerät sendet schwache Schallwellen aus, die den Knochen sanft vibrieren lassen. Durch die Pulsierung des Signals schließt man eine Erwärmung des Gewebes aus. Ultraschall beeinflusst die zum Stillstand gekommene Knochenheilung positiv, was bisher durchgeführte Studien belegen.
  • elektromagnetische Stimulation – Stimulatoren dieser Art produzieren elektromagnetische Wellen, mit denen man die Bruchstellen mehrere Stunden am Tag bestrahlt. Währenddessen trägt der Patient gewöhnlich einen starren Verband, um die Fraktur zu stabilisieren. Aus empirischen Daten ist bekannt, dass elektromagnetische Felder die Prozesse der Wundheilung sowie der Knochenbildung beschleunigen. Aus diesem Grund verwendet man derartige Felder zu Behandlungszwecken; dies jedoch ohne die zugrunde liegenden Wirkmechanismen zu kennen.

Der Patient selbst kann den Heilungsprozess zudem mit Schwimmen oder Swing-Trampolins sowie mit dem Fortsetzen der Bewegungen zu Hause beschleunigen. Nicht nur ältere Menschen sollten darüber hinaus auf eine ausgewogene Ernährung achten.

Hilfe aus der Naturheilkunde

Generell sollten Sie nach einem Bruch nicht einfach abwarten, bis der Knochen wieder verheilt ist. Denn es gibt viele weitere naturheilkundliche Maßnahmen, mit denen Sie die Knochenheilung aktiv unterstützen können.

Um die Heilentzündung in geregelten Bahnen ablaufen zu lassen, sollten Sie sich nach einem Knochenbruch von Ihrem Arzt eine manuelle Lymphdrainage verordnen lassen. Diese Massage-Technik regt den Abtransport von Zelltrümmern und Entzündungsfaktoren an. Die Kosten werden von den Krankenkassen getragen.

Knochenbruch Heilung unterstützen
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Um den Heilungsprozess eines Knochenbruchs zu unterstützen, kann mit gutem Gewissen auf die Naturheilkunde zurückgegriffen werden.

Doch auch andere Pflanzen führen zu einer Verbesserung der Durchblutung und des Lymphflusses am Verletzungsort, sodass der Bluterguss schneller abgebaut und Entzündungsstoffe besser abtransportiert werden können.

Arnika

Das optimale Erste-Hilfe-Mittel ist dabei Arnika in Form von homöopathischen Kügelchen. Das Mittel fördert die Wundheilung, wirkt abschwellend und erhöht die Durchblutung in den feinen Kapillargefäßen. Als erstes sollten Sie daher so bald wie möglich nach der Verletzung drei Globuli Arnika in der Potenz C30 langsam im Mund zergehen lassen. Auch die äußerliche Anwendung von Arnika ist hilfreich. Tränken Sie dazu ein Kompressentuch mit der Urtinktur und lassen Sie den Umschlag so lange auf der verletzten Stelle liegen, bis er getrocknet ist.

Eigenbluttherapie

Die Behandlung von Knochenbrüchen mit Eigenblut hat in der Naturmedizin eine lange Tradition und war, genau genommen, sogar der Anlass zur Entwicklung der Eigenbluttherapien: Der Berliner Chirurg August Bier (1869 bis 1949) hatte bei seinen Patienten beobachtet, dass Knochenbrüche schneller heilten, wenn sich in der Nähe der Bruchstelle ein Bluterguss gebildet hatte. Daraufhin begann er Anfang des 20. Jahrhunderts, seinen Patienten Blut abzunehmen und es an die Bruchstelle zu spritzten.

Diese Behandlung wirkt dabei wie eine Reiztherapie, die den Körper zur Aktivierung der Reparaturmechanismen anstößt. Heute werden Knochenbrüche mit einer Sonderform der Eigenbluttherapie behandelt, die Autologes conditioniertes Plasma (ACP) genannt wird. Dabei wird das Plasma mit den darin enthaltenen Wachstumsfaktoren aus dem Blut zentrifugiert und an die Bruchstelle gespritzt. Mit dieser Methode wird die Heilung komplizierter Brüche gefördert, die operativ gerichtet werden mussten.

Schüßler-Salze

Auch die nach dem Oldenburger Arzt Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 bis 1898) benannten Salze können den Einbau der Mineralien in den heilenden Knochen wirksam unterstützen. Diese Salze beschleunigen die Heilung:

  • Calcium fluoratum: D12 festigt das Binde- und Stützgewebe.
  • Calcium phosphoricum: D6 verleiht dem Knochen Stabilität.
  • Ferrum phosphoricum: D6 lindert die Entzündung und fördert die Wundheilung.

Nehmen Sie mindestens drei Wochen lang dreimal täglich von jedem der genannten Salze eine Tablette ein.

Beinwell

Wie der Name schon sagt, hat die Heilpflanze Beinwell (althochdeutsch: „Bein” = „Knochen” und „wallen” = „zusammenwachsen”) einen großen Bezug zum Knochen und wird seit alters her in der Naturmedizin bei Knochenbrüchen angewendet. Grund für die heilungsfördernde Wirkung des Beinwells bei Knochenbrüchen ist das in der Pflanze enthaltene Allantoin, das die Regeneration des Knochens fördert.

Nutzen Sie diesen Effekt, indem Sie ein- bis zweimal täglich einen Beinwell-Umschlag machen. Tragen Sie dazu eine Paste messerrückendick auf ein angefeuchtetes Mullläppchen auf und legen Sie die Kompresse auf den erkrankten Bereich auf. Sie können den Umschlag ein paar Stunden liegenlassen, ehe Sie die Salbenreste mit lauwarmem Wasser abwaschen. Zur Heilungsförderung von innen hat sich auch eine homöopathische Beinwell-Zubereitung (WALA© Symphytum comp. ©, 20 g Globuli ab 8 €) bewährt.

Wie unterstützen Sie Ihre Knochen?

Ihre Knochen befinden sich, wie jede Zelle Ihres Körpers, ständig in Veränderung. Sie stellen ein lebendes und wachsendes Gewebe dar, das zum Großteil aus Kollagen (Proteinen) besteht und aus Mineralien wie Phosphaten und Kalzium. Das sind auch die Bestandteile, die Ihre Knochen gleichzeitig flexibel und stark machen. Was Ihre Knochen daher brauchen, sind die Bausteine, die ihre Elastizität und Stabilität gleichzeitig erhalten.

  • Sorgen Sie dafür, dass Sie ausreichend Kalzium zu sich nehmen. Wer zu wenig Kalzium aufnimmt, hungert seine Knochen aus und verringert gleichzeitig die Knochendichte. Das Risiko von Knochenbrüchen steigt. 1.000 bis 1.200 mg Kalzium ist die derzeitige Empfehlung für Erwachsene aus den Staaten.
  • Vernachlässigen Sie Ihren Vitamin-D-Spiegel nicht. Dies braucht Ihr Stoffwechsel, damit Ihr Körper das zugeführte Kalzium überhaupt aufnimmt. Zu viel Vitamin-A hingegen kann das Risiko von Knochenbrüchen sogar steigern.
  • Hören Sie auf zu rauchen. Der Genuss von Tabakwaren steht in engem Zusammenhang mit Knochenschwäche.
  • Reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum. Ein übermäßiger Alkoholgenuss verhindert, dass Ihr Körper das zugeführte Kalzium aufnimmt. Er schwemmt wertvolle Mineralien ungenutzt wieder aus.
  • Seien Sie aktiv und bewegen Sie sich. Krafttraining, Rückenschule, lange und ausgedehnte Spaziergänge: All das hilft Ihren Knochen, ihre Stärke und Stabilität zu bewahren. Nur ein geforderter Knochen ist aktiv und wird mit allem Nötigen versorgt.
  • Führen Sie Buch über die eingenommenen Medikamente. Besonders wenn Sie Kortikoide oder einige Blutverdünner einnehmen, befinden sich Ihre Knochen in Gefahr.

Vorsicht vor brüchigeren Knochen im Alter

Ältere Menschen weisen ein dreifach erhöhtes Risiko für Knochenbrüche auf. Mineralstoffgehalt und Knochenelastizität nehmen ab. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge treten fast 90 Prozent der Hüftgelenkbrüche bei Menschen über 65 Jahren auf. Je älter der Mensch, desto mehr Knochensubstanz geht verloren. Dadurch sind die Knochen schwächer und anfälliger für einen Bruch. Frauen sind dabei mehr gefährdet als Männer; bei Frauen sinkt der Mineralgehalt der Knochen schneller als bei Männern. Das Schenkelhalsbruchrisiko von Frauen ist nach Meinung amerikanischer Ärzte zwei- bis dreimal höher als das von Männern. Sind Sie eine Frau und älter als 65 Jahre, beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen Hüftgelenkbruch 1 : 5.

Häufig treten Brüche von Oberschenkelhals, Hüfte und Handgelenk auf, meist als Folgen eines Sturzes. Der Verlust an Knochenfestigkeit scheint in den Wirbelkörpern, an den Unterarmen und den oberen Oberschenkelknochen (Ort der Hüftgelenkbrüche) am größten zu sein. Als häufige Anzeichen für einen Hüftgelenkbruch nach einem Sturz gelten Schmerzen in der Hüfte oder in der Leiste sowie Schwierigkeiten beim Gehen. Des Weiteren geht die Heilung von Knochenbrüchen im Alter langsamer vor sich. Gelenke sind unbeweglicher, werden jetzt zusätzlich ruhiggestellt und müssen sich anschließend umso mühsamer wieder an Bewegung gewöhnen.

Risikofaktoren für Stürze im Alter

Mehr als 100.000 Schenkelhalsfrakturen ereignen sich jährlich in Deutschland. Trotz medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau liegt die Sterblichkeitsrate im ersten Jahr nach einer Schenkelhalsfraktur um 20 bis 30 Prozent höher als bei gleich alten Menschen, die keinen Sturz erlitten haben. Auch die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt enorm an. Mehr als ein Drittel aller Stürze könnten vermieden werden. Sie sollten zunächst die wichtigsten Risikofaktoren für Stürze im Alter kennen:

  • Erkrankungen: z. B. Grauer Star (Katarakt), Grüner Star (Glaukom), Osteoporose (erhöhte Knochenbrüchigkeit), Blutdruckschwankungen, Schwindel, Nervenstörungen in den Beinen, erlittener Schlaganfall, Demenz
  • Medikamente: Fehldosierungen, Einnahmefehler und Wechselwirkungen mehrerer Medikamente
  • Alkoholkonsum: Die Sturzgefahr steigt mit zunehmendem Alkoholkonsum und auch bei Wechselwirkungen des Alkohols mit Medikamenten.
  • altersbedingte Kraftdefizite: Mit 80 Jahren ist rund die Hälfte der Muskelkraft verloren gegangen, über die Sie als 30-Jähriger verfügt haben.
  • altersbedingte Gang- und Balancestörungen: Geschicklichkeit, Reaktionsfähigkeit und Gangsicherheit lassen im Alter nach.
  • Stolperfallen zu Hause: z. B. lose liegende Teppiche, hochstehende Teppichkanten, herumliegende Gegenstände wie Kabel, Taschen oder Schuhe, schlechte Beleuchtung beim nächtlichen Toilettengang
  • Stolperfallen draußen: z. B. Eisglätte, Regen, glitschiges Laub, schlecht erkennbare Stufen
  • schlecht angepasste oder neue Brille: Vor allem bei neuen bzw. ungewohnten Gleitsichtbrillen erhöht sich die Sturzgefahr.
  • schlecht angepasste Gehhilfe: Gehstock, Unterarmgehstützen (z. B. ohne „Spikes“) bei Eis und Schnee
  • Kleidung und Schuhe: zu lange Hosenbeine, offene Schuhbänder, schlechtsitzende Schuhe bzw. ungeeignete Schuhe (z. B. „Ballerinen“ bei Glätte)

6 Anti-Sturz-Tipps

Tipp 1: Reduzieren Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt Ihr Sturzrisiko.

Eine Vielzahl an Medikamenten erhöht die Sturzgefahr. Besonders gefährlich sind starke Schmerzmittel (Analgetika wie Tramadol, Tilidin, Codein, Morphin) und Beruhigungsmittel (Psychopharmaka, z. B. angstlösende Wirkstoffe wie Tetrazepam, Diazepam; antidepressiv wirkende Stoffe wie Amitriptylin, Doxepin). Aber auch viele andere Medikamente erhöhen die Sturzgefahr.

Führen Sie Buch über Ihre Medikation. Listen Sie alle verordneten plus die von Ihnen eingenommenen frei verkäuflichen Medikamente auf (z. B. Schmerzmittel, pflanzliche Präparate). Notieren Sie auch die genaue Dosierung und die Tageszeit der Einnahme. Lassen Sie diese Liste in Ihrer Apotheke und von Ihrem Arzt auf mögliche Neben- und Wechselwirkungen prüfen. Möglicherweise lassen sich die Einnahmemengen reduzieren oder Wirkstoffalternativen finden (z. B. über die PRISCUS-Liste).

Tipp 2: Verbannen Sie Stolperfallen aus Ihrem Alltag.

  • kein Kabelsalat: Quer durch den Raum verlaufend, sind lose Kabel eine große Gefahrenquelle. Ein Elektriker kann die Kabel so verlegen, dass es keine Stolperfallen mehr gibt.
  • Teppiche zähmen: Entfernen Sie rutschende Teppiche und Läufer oder legen Sie eine Anti-Rutsch-Matte (eine Art Gummi-Gitter) unter die Teppiche, wenn diese beispielsweise auf Fliesen liegen. Hochgebogene Teppichkanten sollten Sie mit doppelseitigem Klebeband fixieren.
  • sicher zu Fuß: Hausschuhe in Halbschuhform oder bequeme Sportschuhe bieten zu Hause eine bessere Trittsicherheit als gewöhnliche „Schlappen“, die mit Absatz besonders gefährlich sind. Barfuß oder mit rutschfesten Socken (Noppen auf der Unterseite) geht natürlich auch.
  • nachts erleuchtet zur Toilette: Schalten Sie das Licht an, wenn Sie nachts aufstehen. Ihr Partner wird dafür Verständnis haben. Ein Bewegungsmelder im Flur und/oder eine gedimmte Lampe sorgen für zusätzliche Sicherheit.
  • keine Rutschpartie im Bad: Lassen Sie von einem Fachmann (Sanitätshaus) zusätzliche Haltegriffe in der Dusche und Badewanne anbringen. Gummimatten mit Saugnäpfen geben Ihnen hier zusätzlichen Halt. Wischen Sie das Wasser auf dem Boden weg, wenn Sie mit dem Duschen oder Baden fertig sind. Badewannen- und Duschhocker erhöhen die Selbstständigkeit zu Hause, wenn Ihre Beweglichkeit eingeschränkt ist. Wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse, die bei diversen Erkrankungen anteilig die Kosten übernimmt.
  • zweiter Handlauf: Er kann gefährliche Treppen entschärfen, vor allem wenn sie gebogen verlaufen (üblicherweise findet sich der Handlauf innen, wo die Stufen sehr kurz sind).

Tipp 3: Lassen Sie Ihre Augen und Ohren regelmäßig untersuchen.

Seh- und Hörvermögen verschlechtern sich bei den meisten älteren Menschen, das ist ganz normal. Hören Sie aber Ihre Umgebungsgeräusche zu spät, kann das zu Unfällen oder hastigen Ausweichmanövern und dadurch zu Stürzen führen. Lassen Sie also jährlich Ihr Gehör überprüfen und gegebenenfalls Ihre Hörhilfe anpassen.

Der Optiker Ihres Vertrauens sollte zudem regelmäßig Ihre Sehkraft und Ihre Brillenstärke überprüfen. Zum Augenarzt sollten Sie auf jeden Fall einmal jährlich, auch um wichtige Untersuchungen (wie z. B. Glaukom-Früherkennung) durchführen zu lassen. Bei neuen Brillen im Allgemeinen, aber vor allem bei Gleitsicht- und bifokalen Brillen (mit zwei Sehstärken) steigt Ihr Sturzrisiko. Gewöhnen Sie sich zuerst zu Hause an eine solche Brille und entscheiden Sie, ob Sie außerhalb Ihrer Wohnung damit gut und sicher zurechtkommen.

Tipp 4: Vorsicht bei Glatteis und nassem Laub!

Bei Glatteis und Schnee sind Schuhspikes bzw. „Schneeketten“ für Ihre Schuhe optimal, damit Sie nicht ausrutschen. Mittlerweile erhalten Sie solche „Gehhilfen“ preisgünstig ab etwa 10 Euro in Kaufhäusern, Schuhgeschäften oder via Internet. Falls Sie eine Gehstütze oder einen Gehstock verwenden, sollten Sie für Eis und Schnee Spikes (einen abklappbaren Metallkranz) anbringen lassen. Nasses Laub sollten Sie weiträumig umgehen und im Garten von den Wegen entfernen.

Tipp 5: Verbessern Sie Ihre Balance.

Ihr Gleichgewichtssinn ist ein hochkomplexes und gut trainierbares System. Es bewahrt Sie davor, zu stolpern und zu stürzen. Neben Ihren Augen und Ohren liefert auch eine Vielzahl von Sensoren (Messfühlern) in Ihrer Haut, sowie in den Muskeln, Sehnen und Gelenken wichtige Informationen, um Ihnen einen sicheren Stand und Gang zu ermöglichen. Die Balancefähigkeit lässt im Alter nach, wenn Sie sie nicht trainieren.

Der Einbeinstand: Diese Übung aktiviert und stabilisiert Ihre gesamte Fuß- und Beinmuskulatur bis hoch zu Hüfte und Becken. Führen Sie die Übung am besten barfuß durch. Dabei heben Sie ein Bein leicht an; je höher, desto schwieriger wird es. Sie können auch eine weiche Matte oder einen Therapie-Igel als Unterlage verwenden.

Tipp 6: Bauen Sie Muskelkraft auf.

Ein starkes Muskelkorsett ist das Wichtigste überhaupt, um in brenzligen Situationen die Kontrolle über Ihren Körper zu erhalten. Durch gezielte Kräftigungsübungen schützen Sie sich besonders effektiv vor Stürzen. Im Alter ist das umso wichtiger, da die Muskelmasse im Laufe des Lebens langsam abnimmt. Allerdings ist Muskelkraft bis ins höchste Alter hinein trainierbar. Selbst 90-jährige Menschen können durch geeignetes Training ihr Kraftniveau prozentual genauso anheben, wie es 20-Jährigen möglich ist.

Um Stürze zu verhindern und sich im Alltag bis ins hohe Alter selbstständig und selbstbestimmt bewegen zu können, sind folgende Muskelpartien besonders wichtig; Ihre Rumpfmuskeln (Rücken, Bauch) und Ihre Beinmuskeln. Die Arm- und Schultermuskeln sind dann besonders wichtig, wenn ein Sturz abgefangen werden muss.

So senken Sie Ihr Sturzrisiko Raum für Raum

Sie tragen zur Senkung des Bruchrisikos bei, indem Sie Ihre Wohnung sturzsicher einrichten. Reduzieren Sie Ihr Sturzrisiko, indem Sie zu Hause ein paar kleine Veränderungen vornehmen:

  • in allen Räumen – Besorgen Sie sich Möbel, aus denen man einfach aufsteht. Platzieren Sie Ihre Möbel so, dass Sie einfach daran vorbeikommen. Räumen Sie Stolperfallen wie elektrische Kabel und Telefonschnüre aus dem Weg. Entfernen Sie alle nicht rutschfesten Teppiche. Besorgen Sie sich ein schnurloses Telefon, damit Sie nicht zum klingelnden Apparat hasten. Räumen Sie Schuhe, Haustier- und Kinderspielzeug aus dem Weg.
  • in der Küche – Verwenden Sie eine feste Trittleiter (keinen Stuhl), wenn Sie etwas aus den oberen Regalbrettern holen, oder platzieren Sie diese Sachen auf tiefer gelegenen Regalen.
  • im Badezimmer – Bringen Sie Griffe neben Toilette und Badewanne an. Verwenden Sie rutschfeste Matten, selbstklebende Streifen oder Teppiche auf Oberflächen, die nass werden können. Installieren Sie gepolsterte Duschsitze und abnehmbare Duschköpfe, damit Sie sich im Sitzen waschen können.
  • im Schlafzimmer – Sorgen Sie für Lichtschalter in Reichweite des Bettes. Setzen Sie eine schwache Lichtquelle (Nachtlicht) für den Weg vom Schlaf- zum Badezimmer ein.
  • in Treppen und Fluren – Wichtig sind eine gute Beleuchtung und freie Wege. Bringen Sie Handläufe auf beiden Seiten der Treppe an.

Auch das Tragen von speziell gepolsterten Hüftschonern stellt eine Möglichkeit dar, wie Sie sich im Alter vor entsprechenden Frakturen schützen können.

Was ist Morbus Sudeck nach einem Knochenbruch?

Kleinere Unfälle gehören zum Leben dazu, und so wird es wohl kaum einen Menschen geben, der sich noch nie einen Knochen gebrochen hat. Wenn die ersten Schmerzen abgeklungen sind, läuft die Heilung der Knochenbrüche meistens problemlos ab: Fingerknochen sind bereits nach zwei bis drei Wochen wieder zusammengewachsen, bei Hüfte oder Handwurzelknochen kann es jedoch auch schon einmal drei Monate oder länger dauern.

Doch bei bis zu 5 % der Patienten kommt es nach einem Knochenbruch als Spätfolge zu einer bis heute sehr rätselhaften Erkrankung, dem so genannten Morbus Sudeck (Sudeck-Krankheit): Wochen oder sogar Monate, nachdem der Gips längst entfernt wurde und der Bruch abgeheilt ist, treten plötzlich extrem starke Schmerzen an dem betroffenen Arm oder Bein auf. Die Körperteile zeigen eine Schwellung und die Haut verfärbt sich blau, rot oder weißlich, außerdem spannt und glänzt sie. An den betroffenen Hautpartien ist die Aktivität der Schweißdrüsen erhöht und das Temperaturempfinden gestört: Sie fühlen sich kalt an, obwohl die Nachbarpartien warm sind.

Typische Beschwerden der Sudeck-Krankheit sind:

  • brennender, tiefer Schmerz
  • Bewegungseinschränkung
  • Gewebsabnahme (z. B. an Knochen, Haut und Muskeln)
  • schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit
  • Lähmungen
  • Taubheitsgefühl der Haut
  • Koordinationsstörungen
  • Zittern
  • übermäßiges Schwitzen

Benannt wurde die Krankheit nach ihrem Erstbeschreiber, dem Hamburger Chirurgen Paul Sudeck (1866 bis 1945). Andere Namen sind Algodystrophie oder Reflexdystrophie. Seit Neuestem wird sie auch als komplexes regionales Schmerzsyndrom (engl.: Complex Regional pain Syndrome, CRpS) bezeichnet.

Nach einem Knochenbruch können die Nerven dauerhaft geschädigt bleiben

Wodurch diese Beschwerden ausgelöst werden, ist bisher trotz aller modernen Forschungen unbekannt geblieben. Bei dem Blick auf die obige Symptomliste wird jedoch schnell klar, dass in erster Linie das Nervensystem betroffen ist.

Vermutlich handelt es sich bei der Sudeck-Krankheit um eine entgleiste Heilentzündung. Gegen Ende der Heilungsphase wird die Entzündung normalerweise wieder langsam zurückgefahren. Doch bei der Sudeck-Krankheit ist dieser Prozess gestört, und die Entzündung bleibt über einen sehr langen Zeitraum – manchmal sogar ein Leben lang – bestehen.

Wenn schließlich das Nervensystem in das Geschehen mit einbezogen wird, reagiert dieses bereits auf leichte Schmerzreize extrem empfindlich. Knochenbrüche sind zwar ein häufiger Grund, aber längst nicht die einzige Störung, in deren Folge es zur Sudeck-Krankheit kommen kann.

Die Sudeck-Krankheit tritt auf nach:

  • Knochenbrüchen
  • Quetschungen
  • Verstauchungen
  • Gelenkverrenkungen
  • Operationen
  • Nervenerkrankungen (Neuropathien)
  • Herzinfarkt
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Einnahme von Medikamenten (z. B. Schlafmittel)

In jedem vierten Fall bleibt die Ursache dagegen unklar. Häufig ist die Hand zusammen mit dem Unterarm, etwas seltener der Fuß mit dem Unterschenkel betroffen. Aber auch an Hüfte, Schulter oder Ellenbogen treten die Schmerzen auf. In der Regel sind die (von der Körpermitte aus gesehen) hinter dem Bruch (bzw. der Verletzung) gelegenen Gewebe beteiligt.

Ängste erhöhen das Risiko

Auch die Psyche spielt bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle. Ängste und emotionale Labilität scheinen die Beschwerden zu begünstigen. Daraus folgt jedoch keinesfalls, dass sich die Betroffenen die Krankheit nur einbilden. Dennoch werden heute immer noch viele Sudeck-Kranke als Simulanten abgetan. Schließlich leiden sie ja an den Folgen einer Verletzung, die äußerlich schon längst abgeklungen ist.

Nach einem Knochenbruch sollten Sie also stets wachsam sein und kleine Beschwerden nicht als Bagatelle abtun. Denn je früher die Behandlung eingeleitet wird (und je weniger die Nerven geschädigt sind), desto besser sind die Heilungschancen. In der medikamentösen Therapie haben sich neben Schmerzmitteln auch Antiepileptika (gegen den Nervenschmerz), Antidepressiva und das knochenstärkende Hormon Calcitonin bewährt.