Ethnomedizin: Definition, Methoden & Wirkung

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Inhaltsverzeichnis

Die Ethnomedizin, inzwischen stellenweise auch Medizinethnologie genannt, ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich, wie der Name bereits andeutet, zwischen den Bereichen der sozialwissenschaftlichen Ethnologie und der naturwissenschaftlichen Medizin bewegt. Seit den 1970er-Jahren beschäftigt sich die universitäre Disziplin mit unterschiedlichen, außereuropäischen Medizin-Traditionen.

Die Wurzeln der Ethnomedizin liegen jedoch schon weit zurück – in Zeiten der Weltentdecker und der Kolonialisierung. So lange, wie medizinische Heilkulturen schon aufeinander treffen. In der Ethnomedizin werden kulturelle Auffassungen von Krankheit beziehungsweise Gesundheit sowie spezifischen Therapie- und Behandlungsansätzen untersucht.

Im Mittelpunkt steht weniger die Imitation von möglichen Therapien, sondern vielmehr die Perspektivenerweiterung der westlichen Medizin. Ausgehend davon, dass fast 80 Prozent der Weltbevölkerung auch heute noch mit traditionellem medizinischem Wissen behandelt werden, ist die Ethnomedizin ein spannendes und weites Arbeitsfeld.

Traditionelle Medizinsysteme

Medizinsysteme sind immer in der Gesellschaft, dem Glauben, der Kultur und Geschichte des jeweiligen Landes oder Volkes verwurzelt, das ist auch in Deutschland der Fall. Viele der außereuropäischen Medizinsysteme, mit denen die Ethnomedizin sich befasst, betrachten den Menschen ganzheitlich.

Obwohl es inzwischen auch bei der modernen westlichen Medizin neue Strömungen gibt, liegt der Fokus eindeutig auf Körper und Symptome. Traditionelle, andere Medizinansätze hingegen versuchen, den Geist, den Körper und die Seele als zusammenarbeitendes, sich gegenseitig bedingendes System zu erfassen – häufig ist dieser Ansatz bei der Medizin der Naturvölker zu finden.

Ethnomedizin – was unsere westliche Medizin noch lernen kann

Auch in der medizinischen Welt hält die Globalisierung Einzug. Langsam aber sicher entwickelt sich unser Medizinsystem weiter und öffnet sich für alternative, traditionelle Verfahren. Dazu gehört beispielsweise auch die Alternativmedizin Osteopathie, welche den Körper als ganzheitliche Funktionseinheit begreift.

Vermehrt wird auch bei uns, anstatt auf Antibiotika und Chemiekeulen zu setzen, auf natürliche, pflanzliche Mittel und Heilpflanzen zurückgegriffen. Insbesondere in Ländern wie China, Indien oder Brasilien sind Tausende von Pflanzen zur Therapie traditionell und botanisch verankert.

Andersherum öffnen sich auch alternative Medizinmodelle aus Erste-Welt-Ländern der modernen, westlichen Medizin. Die Aufgabe der Ethnomedizin ist es, ein gegenseitiges Verständnis und Miteinander der Medizin-Kulturen zu schaffen.

Die Pflanzen der Indianer: Beinwell, Birke und Co.

Die Indianer bereiteten aus ihren Blättern einen Tee, um den Urinfluss zu fördern, die Blasen- und Nierenfunktion anzuregen und zu stärken, die Nerven zu beruhigen, das Einsetzen der Wehen zu beschleunigen und die Wehen zu regulieren.

Mit einem speziell zubereiteten Tee wurden auch Nierenentzündungen geheilt und Blasen- und Nierensteine aufgelöst. Die Bärentraube ist auch in Europa eine gut erforschte Heilpflanze, sie wird in der Ethnomedizin aber nur bei akuten Entzündungen der Harnblase eingesetzt.

Die Indianer verwendeten Beinwellwurzelbrei als Auflage zur Wundheilung bei Verletzungen aller Art, Knochenbrüchen,Verrenkungen,Verstauchungen, oberflächlichen Blutergüssen, Schwellungen, Rheumatismus und Gicht.

Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi), Bearberr, Beinwell (Symphytum officinale) und Comfrey

Teezubereitungen aus den Wurzeln und Blättern wurden bei allen Arten von Husten, Erkältungen und Mandelentzündungen und teilweise auch gegen Blutungen (beispielsweise bei Hämorrhoiden) eingesetzt.

Milde Warmaufgüsse von Blättern wurden bei Gallenblasen-Entzündungen und Gallensteinbildung, Magenschleimhautentzündungen, Blutarmut, Weißfluss, Nieren- und Nierenbecken-Entzündungen verwendet. In Europa wird der Beinwell in langer Tradition bei Wunden, Geschwüren und Brüchen eingesetzt.

Birke (Betula-Arten), Birch

  • Das Birkenholz wurde auf glühend heiße Steine gelegt. Der sich dabei entwickelnde Rauch wurde als Vorbeugungs- und Heilmittel gegen Erkrankungen der Atemwege eingeatmet.
  • Wurde dazu noch ein konzentrierter Kaltauszug aus Birkenrinde getrunken, sollte dies Lungentuberkulose und Bronchitis heilen.
  • Um Räume zu desinfizieren, räucherten die Indianer Birkenrinde.
  • Gekochte Birkenrinde wurde auf entzündlich geschwollene äußere Verletzungen und Schnitte aufgelegt, um Schmerzen zu lindern, Schwellungen abklingen zu lassen und Vereiterungen zu verhindern.
  • Getrocknete Rinde und Blätter, aufgegossen mit heißem Wasser, galt als Mittel gegen Blähungen, als harntreibend, blutreinigend, desinfizierend und als Wurmmittel.
  • In Europa wird dagegen nur ein Tee aus den Blättern der Birke als harntreibendes Mittel verwendet.

Blütenpollen (Bee Pollen)

Die Indianer Nordamerikas nahmen regelmäßig Blütenpollen als Zusatznahrung zu sich, und zwar ganz allgemein zur Abwehrsteigerung, zur Kräftigung, zur Leistungssteigerung und zur Hemmung des Alterungsprozesses.

Bei uns gibt es verschiedene Blütenpollen-Präparate, darunter auch eines, welches erfolgreich bei Prostatabeschwerden eingesetzt wird.

Lebensbaum (Thuja occidentalis), Yellow Cedar

Der Absud der Thujablätter wurde bei den Indianern gegen Erkältungskrankheiten, als schweißtreibendes Mittel, zur Beseitigung von Menstruations-Störungen, zur Abtreibung und zur Blutreinigung verwendet.

Andere Zubereitungen wurden bei Herzbeschwerden, Kopfschmerzen und Migräne, zur Steigerung der Abwehrkräfte und zur Menstruations-Förderung eingesetzt.

Bei uns werden einzelne Substanzen des Lebensbaumes in der Krebsbehandlung verwendet. In der Homöopathie hat der Lebensbaum eine Bedeutung in der Behandlung von Warzen.

Nachtkerze (Oenothera biennis), Evening Primrose

Ein Extrakt aus Blättern und Rinde wurde traditionell bei Asthma, Magenbeschwerden, Lebererkrankungen und gegen Hauterkrankungen eingesetzt, während die gekochten Wurzeln als Kraftspender gegessen wurden.

Bei uns ist das Öl aus den Samen zur Regulierung des Fettstoffwechsels und der Hormonproduktion erhältlich.

Sonnenhut (Echinacea-Arten), Coneflower

Das Destillat aus dem Sonnenhut wurde zur Stärkung der Abwehrkräfte verwendet. Mit der Wurzel der Pflanze, die eine örtlich betäubende Wirkung hat, rieben sich die Indianer ein, um gegen Schmerzen unempfindlich zu werden.

Der Sonnenhut wurde auch bei Verbrennungen gebraucht. In Europa ist der Sonnenhut bekannt als Mittel gegen Erkältungen und besonders als „Immunstimulans“.

Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa), Black Cohosh

Indianer verwendeten die Traubensilberkerze bei Epilepsie und Veitstanz, zur Behandlung von Menstruationsbeschwerden, zur Linderung von Geburtsschmerzen und zur Geburtsbeschleunigung, gegen Rheumatismus, Arthritis, Asthma, Schlangen- und Insektenbisse sowie bei Leber- und Nierenerkrankungen.

Die Traubensilberkerze wird bei uns vor allem zur Behandlung von Wechseljahr-Beschwerden und bei Menstruationsstörungen eingesetzt.

Weißdorn (Crataegus-Arten), Whitethorn

Die Indianer verwendeten zwar andere Weißdorn-Arten als wir sie in Europa kennen, aber die Verwendung ist in beiden Kulturkreisen vergleichbar. Der Weißdorn wurde ähnlich wie bei uns heute als Tonikum und Stimulans des gesamten Kreislaufes, zur Stärkung des schwachen Herzmuskels und zur Regulation des Blutdrucks eingesetzt.

Er wurde auch als Stärkungsmittel für die Verdauungsorgane, für Blase und Harnleiter sowie bei Frauenbeschwerden und äußerlich bei starken Schwellungen verwendet.

Zaubernuss (Hamamelis virginina), Witch Hazel

Aufgrund der adstringierenden Wirkung wurde die Zaubernuss zur inneren und äußeren Blutstillung verwendet. Insbesondere bei zu starker Menstruationsblutung, inneren Blutungen aller Art, Nasenblutungen, Hämorrhoiden,Verletzungen, Gicht und bei Bindehaut- und Hornhautentzündungen kam sie zur Anwendung.

Bei uns wird die Zaubernuss vor allem äußerlich zur Wundheilung, bei juckenden und ekzemartigen Hauterkrankungen,Venenleiden, Hämorrhoiden und innerlich bei Durchfall eingesetzt.


Neu entdeckt: Die uralte Heilkunst der Schamanen

Ein bisschen klingt es schon nach Magie und Zauberei, doch die uralte Heilkunst der Schamanen wird gerade unter anderem von Deutschlands Heilpraktikern wiederentdeckt. Aber ist das, was hier praktiziert wird, wirklich Schamanismus oder sind es bestenfalls nur Showeffekte, die Ihnen das Geld aus der Tasche ziehen?

Was ist Schamanismus?

Schamanismus ist das älteste Heilsystem und die erste spirituelle Ausrichtung der Menschengeschichte. Archäologen schätzen, dass der Schamanismus mindestens 40.000 Jahre alt ist. Praktiziert wurde er weltweit von allen Naturvölkern wie beispielsweise Indianern, australischen Aborigines oder nordischen Inuits.

Alle schamanischen Heiler arbeiten nach demselben Grundprinzip: Sie gehen davon aus, dass die gesamte Natur vom Menschen über alle Tiere bis hin zum Blatt oder Stein beseelt ist, und dass alles mit allem verbunden ist und untereinander kommuniziert.

Aus Sicht der Schamanen werden Menschen krank, wenn sie nicht mehr im ausgeglichenen Verhältnis mit allen lebenden Dingen stehen und die Harmonie von Körper, Seele und Geist gestört ist. Der Schamane versucht dann mit seinen Techniken, dem Patienten die Verbindung zu seinen Wurzeln, zur Natur und zu seinem Geist wiederzugeben.

Die schamanische Behandlung

Seit dem Jahr 1980 ist diese schamanische Medizin zur Behandlung von psychosomatischen Erkrankungen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gleichberechtigt mit der westlichen Medizin anerkannt. Praktiken, mit denen Schamanen arbeiten, sind unter anderem:

  • Zeitlinienreisen
  • Reinigungen wie Räuchern oder Schwitzhütten
  • Arbeit mit dem Medizinrad
  • Zuführung des persönlichen Krafttiers
  • Trance-Tänze
  • Seelenrückführungen

Bei der Zeitlinienreise begegnen Sie sich selbst in einer geführten Entspannung in früheren Jahren und in der Zukunft. Bei dieser Arbeit können Seelenanteile befreit, zurückgeholt oder wieder integriert werden. Bei allen Reinigungsprozessen sollen negative Energien entfernt und dadurch die Heilung eingeleitet werden.

Krafttiere haben im Schamanismus dieselbe Rolle wie Schutzengel im Christentum. Sie sollen ihren Schützling gesund erhalten, ihn schützen und warnen. In geführten Meditationen können Sie Ihr Krafttier kennenlernen, das Sie dann anrufen können, wenn Sie krank sind oder Energie benötigen.

Außer mit dem Krafttier arbeiten Schamanen auch mit dem Medizinradum durch die Wiederherstellung der Harmonie zwischen Mensch und Natur Heilung herbeizuführen. Ein solches Medizinrad besteht in er Regel aus 36 zu einem inneren und einem äußeren Kreis gelegten Steinen, wobei die beiden Kreise durch vier Speichen verbunden sind.

Jeder einzelne Stein hat seine ganz besondere Bedeutung, sodass das spirituell angelegte Medizinrad zu einem Ort der gebündelten Kraft und Energie wird.

Schamanismus kann man nicht lernen

Schamanische Heilkunst kann man nicht lernen wie den westlichen Arztberuf. Vielmehr wird der Schamane berufen und durchläuft eine schmerzhafte Zeit, in der sich sein Seelenzustand ändert. Dieser Prozess kann einer Schizophrenie ähneln, weshalb man Schamanen früher für geisteskrank hielt.

Tatsächlich kann sich ein Schamane mit Hilfe bestimmter Techniken wie Trommeln, Räuchern oder Tanzen in eine Trance versetzen, in der er mit übernatürlichen Kräften in Verbindung tritt. In diesem Bewusstseinszustand begegnet er zum Beispiel seinen Krafttieren, Pflanzengeistern und anderen Vermittlern höheren Wissens. So wird ein Schamane zum Wirkkanal für Helfer aus der geistigen Welt, die den Weg zur Heilung aufweisen.

Für eine Behandlung beim Schamanen müssen Sie daher leider weit reisen. Der ursprüngliche Schamanismus der Urvölker ist inzwischen durch die westliche Kolonisation nahezu ausgerottet. Die schamanische Heilkunst hat jedoch überlebt und wird vor allem in Asien und Südamerika praktiziert.

Der Experte für Schamanismus des Dachverbands für Geistiges Heilen, K. Bertram Bittner, warnt vor dem unachtsamen Umgang mit schamanischen Techniken: „In Deutschland gibt es keine Schamanen.” Zwar gibt es Heilkundige, die mit schamanischen Techniken arbeiten, echte Schamanen finden Sie jedoch nur noch in Tibet oder bei indianischen Kulturen.

Lassen Sie keine „Seelenbehandlungen” von selbsternannten Heilern vornehmen. Lassen Sie sich genau sagen, welche Ausbildung ein Therapeut genossen hat, ehe Sie beispielsweise eine Seelenrückführung oder Arbeit mit dem Krafttier vornehmen lassen. Unsachgemäß durchgeführt könnten Sie sonst in unerwünschte psychische Zustände geraten.