Blutegeltherapie: Mit einem Biss Schmerzen und Entzündungen lindern

Blutegel auf menschlichem Körper
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Inhaltsverzeichnis

Blutegeltherapie – bei dieser alternativen Medizinform denken die meisten Patienten zunächst an das Mittelalter. Doch zu Unrecht, denn noch heute kommen die Tiere in der Medizin zum Einsatz, um verschiedenste Beschwerden zu lindern. Dabei gibt es immer mehr Studien, die die Wirksamkeit der Blutegeltherapie belegen. In diesem Artikel finden Sie alles Wissenswerte rund um die Behandlung mit Blutegeln.

Was ist die Blutegeltherapie?

Die Blutegeltherapie ist ein spezielles ausleitendes Verfahren. Dabei gelangt das Speichelsekret des Blutegels beim Saugen in das Blut des Patienten und löst dort zahlreiche gesundheitsförderliche Prozesse aus.

Der Therapeut setzt speziell für die medizinische Anwendung gezüchtete Egel (Hirudo officinalis oder Hirudo medicinalis) punktgenau auf die Haut über den erkrankten Körperbereichen. Beim Saugen sondern die heilsamen Tierchen zahlreiche entzündungs- und gerinnungshemmende Enzyme in die Wunde ab. Dazu zählen vor allem Hirudin, Calin, Eglin und Hyaluronidase.

Der griechische Arzt und Dichter Nikandros von Colophon erwähnte und schätzte den Blutegel bereits 100 Jahre vor Christus. Schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts setzte man den medizinischen Blutegel bei verschiedenen Erkrankungen zum Aderlass ein, der sich als besonders wirkungsvoll erwies.

Heute gilt der Blutegel als Arzneimittel und wird nicht nur von Heilpraktikern und in der alternativen Medizin eingesetzt. Auch immer mehr Ärzte setzten bei verschiedenen Beschwerden auf eine begleitende Blutegeltherapie.

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Die Blutegeltherapie wird von zunehmend mehr Ärzten angewendet. Doch gegen welche Beschwerden hilft die Therapieform?

Bei welchen Beschwerden helfen Blutegel?

Das Einsatzgebiet der Blutegeltherapie reicht von venösen Stauungen über Krampfadern bis hin zu oberflächlichen Venenentzündungen. Auch bei Gelenkerkrankungen, wie z. B. Kniearthrose, oder Rückenbeschwerden soll die Behandlung Abhilfe schaffen und zur Schmerzlinderung beitragen.

Die Anwendungsfelder (Indikationen) der Blutegelbehandlung im Überblick:

  • Gelenkerkrankungen wie (Knie-)Arthrose, Arthritis, Rheuma oder Gicht
  • Venenerkrankungen wie Besenreiser, Krampfadern und Thrombosen
  • Chronische Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen
  • Gürtelrose
  • Krampfadern
  • Ohrgeräusche und Tinnitus
  • Gefäßverschlüsse
  • eitrige Entzündungen der Haarbälge
  • Nebenhöhlenentzündungen
  • Mandelabszess
  • Eileiter- und Eierstockentzündungen
  • Entzündungen des Bindegewebes im Bereich des Gebärmutterhalses
  • Brustdrüsenentzündung
  • Gallenblasenentzündung
  • Hodenentzündung
  • Venenentzündung
  • Depressionen
  • Bluthochdruck
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Schlaganfall
  • Angina Pectoris

Die Naturheilkunde geht davon aus, dass vor allem bei Erkrankungen, die durch Durchblutungsstörungen oder Entzündungsprozesse entstehen, eine Blutegeltherapie sinnvoll ist.

Wie läuft eine Blutegeltherapie ab?

Die Blutegelbehandlung dauert zwischen 30 und 90 Minuten. Dabei setzt der Arzt das Tier auf die erkrankte Körperstelle. Der Blutegel fällt von allein ab, sobald er seine Arbeit verrichtet hat.

Vorbereitung: Das gilt es vor der Behandlung mit Blutegeln zu beachten

Zu einer Blutegelbehandlung sollten Patienten ausreichend Zeit mitbringen. Zudem dürfen sie vorher nur wenig trinken und sollten die Blase vorab entleeren. Blutegel sind äußerst geruchsempfindlich und sensibel. Daher ist es sinnvoll, die entsprechende Körperstelle bereits drei Tage vor der Behandlung nicht mehr mit Seife zu waschen oder einzucremen.

Am Behandlungstag reinigt der Arzt die Ansatzstelle mit warmem Wasser und einer unparfümierten Seife. Im Anschluss nimmt er zum Ansetzen ein kleines Glasgefäß und stülpt damit den Blutegel an die gewünschte Körperstelle.

Anwendung mit Blutegeln im Detail

Der Therapeut fängt vorsichtig mit ein bis zwei Egeln an. Meist kommen maximal vier Blutegel gleichzeitig auf der Haut zum Einsatz. Um ihren Appetit anzuregen, wird vorher die Haut etwas angeritzt. Dann sucht sich das Tierchen schnell seine Nahrungsquelle und verleibt sich etwa 20 Milliliter Blut ein.

Der Biss ist fast schmerzlos. Nur ein kleiner Juckreiz macht sich manchmal bemerkbar. Das Gefühl ist mit einem Insektenstich oder einer Brenneselberührung vergleichbar. Da der Blutegel ein betäubendes Sekret absondert, schmerzt die Bissstelle kaum.

Nachdem das Tier sich festgesaugt hat, deckt der Behandelnde es mit Zellstoff ab. Die Saugzeit beträgt durchschnittlich je nach Größe des Blutegels, seinem Hungerzustand und der Durchblutung der Saugstelle rund 10 bis 40 Minuten. Wenn sich der Egel vollgesaugt hat, löst er sich von selbst ab.

Achtung: Der Blutegel sollte niemals gewaltsam entfernt werden, weil sein Kiefer in der Wunde verbleiben und dort Entzündungen verursachen kann. Sobald der Blutegel vollgesaugt ist, fällt er von allein ab.

Richtige Nachbehandlung nach einer Blutegeltherapie

Die Bissstelle blutet noch bis zu 24 Stunden weiter nach – ein erwünschter Nebeneffekt. Beim mehrstündigen Nachbluten treten nochmals 20 bis 100 ml Blut aus der Wunde aus, das man durch spezielle Saugverbände aufsaugt. Auf diese Weise wird die Bissstelle von etwaigen Keimen befreit und die Wirksamkeit der Behandlung erhöht.

Die Saugstelle wird mit einem sterilen Mulltupfer verbunden. Nach der Behandlung mit Blutegeln müssen Patienten rund sieben Stunden ruhen. Der erste Verbandswechsel erfolgt nach 24 Stunden, nach rund einer Woche dürfen die Stellen zum ersten Mal wieder mit Wasser in Berührung kommen.

Gut zu wissen: Je nach Aufwand kostet eine Blutegelbehandlung zwischen 30 und 100 Euro. Krankenkassen übernehmen die Kosten nur nach vorheriger Absprache.

Was passiert mit den Blutegeln nach der Behandlung?

Ein Egel kommt nur einmal in seinem Leben zum Einsatz. Blutegel besitzen keine Verdauungsenzyme und halten das aufgesaugte Blut mithilfe ihres Speichelsekrets Hiruduin monatelang flüssig. Damit sind beste Voraussetzungen für das Überleben verschiedener Erregertypen gegeben, die das Tier mit dem Saugakt aufnehmen und so übertragen könnte.

Aus diesem Grund werden die Blutegel üblicherweise schnell abgetötet, indem sie z. B. in Ethanol, kochendes Wasser oder Essig gegeben werden. Diese Methode bedeutet für die Tiere jedoch ein recht qualvolles Ende.

Manche Egelfarmen, die die Tiere für die Medizin züchten, bieten an, die Egel zurückzunehmen. Sie kommen dann dort in einen strikt abgeschotteten sogenannten „Rentnerteich“, wo sie weitergefüttert werden und ihr normales Leben fortsetzen.

Wirkungsweise der Blutegeltherapie: Welche Prozesse passieren dabei im Körper?

Eine Therapie mit Blutegeln wirkt schmerzstillend, entzündungshemmend und durchblutungsfördernd. Doch wie lassen sich diese gesundheitsförderlichen Prozesse erklären?

Verantwortlich dafür ist nicht etwa das Blutsaugen selbst. Tatsächlich gibt der Blutegel während des Bisses auch Substanzen in den menschlichen Körper ab – auf diese sind die positiven Effekte zurückzuführen. Der Speichel, der mit der Wunde in Kontakt kommt, enthält also die schmerzlindernden Wirkstoffe.

Wissenschaftler konnten noch nicht alle Inhaltstoffe entschlüsseln, gehen aber davon aus, dass zwischen 20 und 50 verschiedene Substanzen im Blutegelspeichel enthalten sind. Erforscht wurden bisher vor allem die Stoffe Eglin und Hirudin.

Eglin blockiert entzündungsauslösende Enzyme und kann so Entzündungsprozessen entgegenwirken. Dem Stoff sagt man außerdem eine schmerzlindernde Wirkung nach. Auch der Inhaltsstoff Hirudin überzeugt mit einer Menge gesundheitsförderlicher Effekte: Es hemmt die Blutgerinnung, wirkt gefäßkrampflösend und stärkt das körpereigene Immunsystem. So trägt der Wirkstoff dazu bei, Thrombosen aufzulösen und Gefäße zu entstauen.

Gut zu wissen: Mittlerweile gibt es einige wissenschaftliche Arbeiten und Studien, die sich mit der Wirkungsweise der Blutegeltherapie beschäftigen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Effekte tatsächlich auf den Speichel der Blutegel zurückzuführen sind und nicht etwa einen Placebo-Effekt darstellen (siehe beispielsweise Lemke (2014) und Sig (2017)).

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Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit der Blutegeltherapie. Doch sind mit dieser Therapieform auch Risiken verbunden?

Gibt es bei der Blutegeltherapie Nebenwirkungen oder Kontraindikationen?

Die Therapie ist gut verträglich. In seltenen Fällen kommt es zu Juckreiz und Rötungen. Die Blutegeltherapie darf nicht bei erhöhter Blutungsbereitschaft (z. B. bei der Einnahme von Macumar, ASS oder Ginko) erfolgen.

Darüber hinaus verbieten Gefäßschäden infolge einer Arteriosklerose oder eines Diabetes die Anwendung.

Achtung: Die Blutegeltherapie kann nur auf ärztliche oder heilpraktische Anweisung hin erfolgen, denn sie darf nicht bei allen Erkrankungen zum Einsatz kommen. Nicht ratsam ist die Therapie etwa bei Krankheiten, die mit einer gestörten Blutgerinnung oder einer höheren Blutungsneigung einhergehen. Auch bei arterieller Verschlusskrankheit, wie dem Raucherbein, sollte man darauf unbedingt verzichten.

Bei frisch operierten Patienten rät man zur vorsichtigen Verwendung von Blutegeln, da im Zusammenhang mit der Blutegelbehandlung Nachblutungen im Operationsgebiet beobachtet worden sind.

Die Kontraindikationen einer Blutegeltherapie im Überblick:

  • Blutgerinnungsstörungen durch Medikamente oder die Bluterkrankheit (Hämophilie)
  • Einnahme von Immunsuppressiva
  • Magengeschwür oder Magenschleimhautentzündung
  • Blutarmut
  • Immunschwäche
  • Schwere chronische Erkrankungen
  • Wundheilungsstörungen
  • Schwangerschaft, Menstruation

Zu den harmlosen Nebenwirkungen zählen beispielsweise Blutergüsse rund um die Bissstelle. Auch Rötungen, Juckreiz und leichte Schwellungen können auftreten.

Des Weiteren treten in seltenen Fällen die folgenden Nebenwirkungen auf:

  • Verlängerte Nachblutungen
  • Verzögerte Wundheilung
  • Blutdruckabfall
  • Allergische Reaktionen
  • Lokale Entzündungen
  • Infektionen

Sollten die Beschwerden länger anhalten, sollten Sie in jedem Fall einen Arzt aufsuchen.

Warum werden Blutegel in der Medizin angewandt?

Für den Einsatz in der Medizin verwendet man hauptsächlich Blutegel aus Ungarn und der Bretagne. Dort gibt es eigene Blutegelfarmen, in welchen die Tiere gezüchtet werden. Die Blutegel leben in etwa einem Meter tiefen Teichen. Bei regelmäßiger Ernährung, zum Beispiel mit Fröschen, erreicht ein Blutegel ein Alter von bis zu 20 Jahren.

Da Blutegel Stoffe ausscheiden, die für sie giftig sind, muss man das Wasser regelmäßig durch frisches ersetzen. Tote Egel müssen bei der Blutegelzucht sofort entfernt werden, da sie unter Umständen zum Tod anderer Tiere führen.

Blutegel im Garten
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Achtung

Falls Sie in Ihrem Gartenteich Blutegel finden, dürfen Sie diese auf keinen Fall für medizinische Zwecke verwenden! Die medizinisch gezüchteten Egel stehen vor der Behandlung unter Quarantäne, um sicherzustellen, dass sie keine fremden Krankheitserreger aufnehmen. Wilde Blutegel hingegen können Krankheiten übertragen.

Blutegeltherapie: Der moderne Aderlass

Die Blutegeltherapie zählt zum Bereich der alternativen Medizin. Denn statt Medikamenten und Schmerzmitteln kommen die kleinen Tierchen zum Einsatz, um verschiedene Beschwerden und Erkrankungen zu lindern. Abhilfe bietet eine solche Behandlung nicht nur bei Venen- und Gelenkerkrankungen, sondern beispielsweise auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tinnitus.

Die gesundheitsförderliche Wirkung ist dabei dem Speichel der Blutegel zu verdanken. Diesen geben die Tiere beim Saugen in die Wunde ab. Er enthält zahlreiche Wirkstoffe, unter anderem Eglin und Hirudin. Eine Anwendung mit Blutegeln dauert nur 30 bis 90 Minuten und kann schon nach einer einzelnen Behandlung zur Linderung von Beschwerden führen.