Rohkost – ein gesunder neuer Trend oder doch eher schädlich?

Rohkost Teller
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„Fünf am Tag“: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen. Dass das gesund ist, ist eine unbestrittene Tatsache. Die Frage ist, ob wir Möhren und Co. ausschließlich als Rohkost zu uns nehmen sollten, um in den Genuss der vollen Dosis Vitamine zu kommen.

Klar ist, dass sich die Menge an Vitaminen und Spurenelementen verringert, wenn man Gemüse kocht. Doch ist es wirklich gesünder, ausschließlich Rohkost zu verzehren? Oder kann das rohe Gemüse auch schädlich sein? Gibt es Gemüse-Sorten, die man besser nicht roh zu sich nehmen sollte?

Rohkost – Allgemeines

Rohkost und Vollwertkost wurden lange Zeit als das Nonplusultra der gesunden Ernährung propagiert. Doch Experten melden Zweifel an. Nicht alles ist roh für den Menschen bekömmlich. Langfristig ist das sogar sehr schädlich.

Willst du gesund bleiben, vergiss den Kochtopf, predigten radikale Rohkostanhänger in den letzten Jahren. Empfohlen wird von ihnen fast ausschließlich rohes Gemüse und Obst, selbst Getreide soll höchstens gemahlen und ansonsten unverarbeitet auf den Tisch kommen.

Alle bearbeiteten Lebensmittel vergiften den Körper, glauben die Anhänger der strengen Rohkost. Tatsache ist jedoch, dass manche Nahrungsmittel roh für den Menschen nicht genießbar sind und Rohkost für viele – vor allem ältere – Menschen nicht besonders bekömmlich ist. Zu viel Ungekochtes kann bei einigen sogar Allergien auslösen.

Rohkostkritikern zufolge ist die Liste der möglichen Gesundheitsschäden noch viel länger: Sie reicht von ständigen Blähungen über schwere Darmschäden bis hin zu Gelenkleiden und rheumatischen Beschwerden. Überdies sollen antibiotikaresistente Krankheitserreger vor allem durch die Rohkost in unseren Körper gelangen. Mehr noch: Selbst der Alterungsprozess soll durch zu viel Rohkost und Körnerfutter beschleunigt werden.

Nur Rohes auf dem Teller macht Sie schneller alt

Der emeritierte Frankfurter Medizinprofessor Karl Pirlet schilderte in der Zeitschrift „natur & kosmos” die Auswirkungen strenger Rohkost so, wie er sie in seiner medizinischen Praxis kennen lernte: „Nach Jahren erst, eventuell nach zehn bis 20 Jahren kommt der gesundheitliche Zusammenbruch. Oft ein überraschend früheinsetzender Alterungsprozess, etwa am arteriellen System oder an den Gelenken.”

Dabei hat die Idee von der Rohkost zunächst durchaus etwas Bestechendes: Alle guten Inhaltsstoffe sind noch in natürlicher Form enthalten, kein Vitamin wurde verkocht, kein Mineralstoff ausgelaugt, kein sekundärer Pflanzenstoff zerstört.

Wichtig für unsere Gesundheit ist vor allem die Aufnahme von Ballaststoffen, die in Rohkost reichlich vorhanden sind. Sie sorgen dafür, dass wir ein Sättigungsgefühl verspüren, außerdem quellen sie im Darm auf und ermöglichen einen schnellen Abtransport von unverdaulichen oder auch schädlichen Nahrungsbestandteilen. Sie massieren die Darmzotten und stimulieren damit das Immunsystem.

Einige Inhaltsstoffe können jedoch für Sie schädlich sein

Doch Rohkost enthält eben auch viele Stoffe, die für den Menschen von der Natur nicht als Nahrung gedacht oder gar schädlich sind. Die meisten gehören zu den Abwehrstoffen, mit denen die Pflanzen sich selbst vor Feinden schützen, indem sie sich unbekömmlich machen.

Von den meisten dieser Pflanzenstoffe profitiert unsere Gesundheit ungemein, aber nicht von allen. Nicht ohne Grund verarbeitet man deshalb in den meisten Kulturen beispielsweise die Getreidearten in der gleichen Weise: Roggen zu Vollkornsauerteig, Weizen zu gemahlenem hellen Hefebrot, Hafer zu Flocken oder Brei.

Der Verarbeitung liegt eine Jahrtausende alte Erfahrung der Menschen zugrunde: Erst auf diese Weise wird das Korn für den Menschen genieß- und verwertbar. Unzubereitet ist Getreide für den Menschen zumeist schwer verdaulich. Außerdem enthält es den Stoff Phytinsäure, die die Aufnahme von Mineralstoffen, Spurenlementen und Vitamin B1 in den menschlichen Organismus behindert.

Außerdem werden die Verdauungssäfte und die Darmbewegung bei ihrer Arbeit so gestört, dass die günstigen Inhaltsstoffe gar nicht zum Zuge kommen. Es entstehen im Darm unter anderem giftige Gärungsprodukte wie Fuselalkohole. Die Darmwand wird dadurch angegriffen und langfristig geschädigt. Letztlich wird das Immunsystem geschwächt, sogar psychische Störungen sollen dadurch entstehen.

Getreide muss deshalb zumindest geschrotet und über Nacht eingeweicht werden. Wegen der Besiedlung durch Bakterien kann es hier jedoch bereits wieder zu Problemen mit der Verdauung kommen. Besser verdaulich ist es als Brei, in Brühe gegart oder zu Brot verarbeitet. Auch Kartoffeln, Reis und Hülsenfrüchte sind roh nicht genießbar. In gegartem Zustand sind sie für die Gesundheit aber sehr wertvoll.

Rohköstlich oder ungesund?

Rohes Gemüse stärkt das Immunsystem

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Rohkost bringt sehr wenig Kalorien, dafür aber eine Menge Ballaststoffe mit. Die sind gut für den Darm und damit gut für unsere Gesundheit. Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und andere wichtige Nährstoffe sind in rohem Obst und Gemüse deutlich stärker vertreten als in gegarten Kohlrabi, Brokkoli und Karotten.

Leider kann der Körper mit diesen Nährstoffen allein wenig anfangen: Er braucht Fette und Eiweiße, um richtig funktionieren zu können. Wer also ausschließlich auf Rohkost setzt, riskiert auf Dauer Mangelerscheinungen. So zeigen die Blutbilder von strengen Rohköstlern über die Jahre häufig einen Mangel an Eisen, Zink, Jod, Kalzium und anderen lebenswichtigen Nährstoffen.

Dazu kommt, dass einige Sorten Gemüse im rohen Zustand für den Körper nicht verwertbar sind. Bohnen zum Beispiel enthalten vor dem Garen giftige Lektine. Kartoffeln sind roh sehr schwer verdaulich und Betacarotin aus Karotten kann ebenso wie Lycopin aus Tomaten im gegarten Zustand und im Zusammenspiel mit Fett deutlich besser vom Körper aufgenommen und verwertet werden.

Eine Rohkosternährung ist eine basenbildende Ernährung, wogegen die Kochernährung eher säurebildend ist. Mediziner sind sich darin einig, dass in einem gesunden Körper sowie in unserem Blut ein basisches Milieu herrscht. Ist der Organismus dagegen übersäuert, werden Krankheiten begünstigt.

Eine sehr wirkungsvolle Art, den Säureüberschuss abzubauen, ist der Verzehr von grünem Blattgemüse, das reich an Chlorophyll ist. Als Faustregel gilt: Je grüner die Blätter, desto höher der Chlorophyllgehalt und damit auch die basenbildende Wirkung.

Die goldene Mitte

Wie so oft beschreitet man am besten den goldenen Mittelweg. Essen Sie Obst und Gemüse möglichst naturbelassen – aber setzen Sie nicht ausschließlich auf Rohkost. Wer rohes Gemüse nicht gut verträgt und mit Blähungen und Durchfall darauf reagiert, kann sein Gemüse schonend dünsten statt es zu kochen.

So bleibt ein Maximum an Nährstoffen und Vitaminen erhalten und der Darm wird besser mit der Mahlzeit fertig. Nutzen Sie die Garflüssigkeit auch als Grundlage für Suppe oder Soße, so nehmen Sie auch den letzten Rest an Vitaminen noch mit.

Fazit: Rohkost ist grundsätzlich gesund und hält schlank. Ergänzen Sie Ihren Speiseplan aber unbedingt durch Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate, um auf Dauer keine Mangelerscheinungen zu riskieren.